Die Disteln brennen by Yaşar Kemal

Die Disteln brennen by Yaşar Kemal

Autor:Yaşar Kemal [Kemal, Yaşar]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Istanbul, Memed mein Falke, Türkei, Yashar Kemal
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-21T16:00:00+00:00


32

Nach dem Besuch des Landrats ereignete sich nichts Besonderes. Nur Ali Safa Bey ritt zweimal durch das Dorf, warf aufmerksame Blicke nach links und rechts und sah jedem, der ihm über den Weg lief, scharf in die Augen. Aber die Bauern hatten es mit der Angst zu tun bekommen. Zwischendurch ließ sie etwas nach, steigerte sich dann aber erneut und überwältigte sie. Jeden Tag warteten sie auf eine Provokation von Ali Safa Bey und waren ganz verblüfft, dass nichts geschah.

In jenen Tagen kam Idris Bey mit zwei Reitern ins Dorf und stieg bei Osman dem Mächtigen ab. Er bezeugte ihm seine Bewunderung, seine Liebe und seinen Respekt. Ihm gefiel Osmans Auftreten gegenüber Ali Safa Bey. Er lobte seinen Mut. »Wir«, bedauerte er, »waren nicht imstande, uns gegen Arif Saim Bey zu behaupten, wir haben uns verkauft. Ihr seht, was aus uns geworden ist. Wir mussten uns in die Berge zurückziehen.« Er seufzte. Sein junges, schönes Gesicht war bleich, seine Augen lagen tief in den Höhlen.

»Aber auch wir werden handeln. Ich habe Arif Saim Bey eine Nachricht geschickt. Habe ihn gewarnt, sich ja nicht an meinen Äckern zu vergreifen. Diese vierundzwanzig Jahre wie auch den Schuldschein von 150000 Lira hat er selbst erfunden. Ich forderte ihn auf, diese Geschichte wieder aus der Welt zu schaffen, so wie er sie erfunden hat. Und nun warte ich ab. Sonst weiß ich, was ich zu tun habe. Ich erzähle es jedem, den ich treffe. Und ich werde es immer aufs neue erzählen, und wenn er sich nicht besinnt, dann werden eben die Waffen sprechen … Ali Aga der Kurde berichtete mir, dass Arif Saim Bey jetzt nachdenkt. Und zwar sehr ernsthaft. Das soll er nur tun. Ich habe Geduld. Seid auch ihr geduldig.«

Die Bauern hatten davon Wind bekommen, dass Idris Bey bei Osman dem Mächtigen abgestiegen war, und kamen alle herbei. Auch Seyfali, der Vorsteher Sefçe und Ferhat Hodscha stellten sich ein.

Als er die Bauern sah, füllten sich Idris Beys Augen mit Tränen. Er hatte Mühe, sie zurückzuhalten, und sprach: »Ich beneide euch; Ali Safa geht zwar grausam mit euch um. Schlimmer als all das, was uns Arif Saim Bey antut. Wir aber konnten uns nicht behaupten und verkauften ihm die Äcker unserer Ahnen, einen nach dem Anderen. Wir verkauften sie, weil wir Angst hatten. Wir verkauften sie, weil alle Räuber geworden waren, wie ich selbst. Wir verkauften sie, weil wir Dummköpfe waren … So zogen wir uns eben in die Berge zurück. Ich bewundere euch, weil ihr Widerstand leistet. Wie groß, kräftig und gesund ein Baum sein mag, er wird absterben, wenn man ihm die Wurzeln aus der Erde reißt. Uns hat man ebenfalls aus der Erde gerissen, wir sind zum Aussterben verdammt. Ich bewundere euch.«

Die Bauern zollten seiner schönen Rede Bewunderung, auch seinen großen Augen, die denen eines schönen Stiers, und seinen langen Fingern, die dem Schilfrohr glichen. Großes Mitgefühl ergriff sie.

Als Idris Bey wieder sein Pferd bestieg und aus dem Dorf ritt, waren sie erschüttert. Für ihn würde es übel enden. Das wussten sie.



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